Montag, 30. März 2015

Sightseeing erstmal abgeSchlossen

Meine letzten Tage waren - abgesehen vom Spiel mit dem Regen und dem Kennenlernen neuer Couchsurfer - geprägt von dem, was ein Tourist an der Loire eben so macht: Sightseeing!

Es fing in Tours an, als mir meine Gastgeber empfahlen, statt direkt nach Blois lieber einen Abstecher zum Wasserschloss Chenonceau zu machen. Das sei wohl das Chateau, das allen ihren Gästen am stärksten beeindruckt hätte und es wäre schade, dies links (bzw. rechts) liegen zu lassen. Da das Wetter mich eh dazu drängte, regenbedingt kürzere Etappen zu planen, hab ich kurzerhand noch eine Unterkunft in der Nähe von Chenonceaux - der Ort wird witzigerweise mit x am Ende geschrieben - gesucht und bin in Montrichard, ca. 10kmwestlich des Schlosses am Flüsschen Cher fündig geworden.

Regen- und IKEA-bedingt kam ich in Chenonceaux erst kurz vor 17:00 Uhr an und erahnte das erste Mal auf dieser Reise das Ausmaß des hiesigen Sommertourismus: ein Riesen-Parkplatz, aufgeteilt in Bereiche für Busse, PKW und Fahrräder, für die mehrere Reihen "Geländer" zum Anschließen bereitstanden. Luigi hatte also die Qual der Wahl eines Pausenplätzchens, denn außer ihm habe ich weit und breit kein Zweirad gesehen...

Das Schloss selbst ist vom Parkplatz aus noch gar nicht zu sehen, denn zunächst gilt es eine Eintrittskarte zu erwerben (oder per Gästeführerausweis gratis zu bekommen), sein Gepäck (wenn man welches hat) in Schließfächern zu verstauen und dann einen Barockpark zu durchqueren. Nach ein paar hundert Metern erblickt man dann aber schon das Märchenschloss und seinen wunderschönen Park. Drinnen kann man sich ein IPhone geben lassen, auf dem mehrere Rundgangvariationen gespeichert sind - ich muss sagen, die Aufarbeitung der Geschichte in Bild und Ton hat mich wirklich beeindruckt! Natürlich bevorzuge ich nach wie vor persönliche Führungen, aber es war nicht schlecht, dass auf dem Gerät immer wieder Bilder der besprochenen Personen und Rahmenbedingungen zu sehen waren.

Katherina de Medici in Chenonceau

Schloss Chenonceau hat mich ein wenig vertraut gemacht mit der Königen um Katherina de Medici - und ausgebaut habe ich dieses Wissen einen Tag später im "Königsschloss" Blois. Hier habe ich keinen Audioguide mitgenommen, dafür waren aber die Tafeln im Zimmer sehr aufschlussreich (und in einem französisch geschrieben, dass auch Nicht-(Kunst)-Historiker verstehen). So weiß ich jetzt zumindest, in welcher Abfolge die königlichen Henris und Francois I auf dem französischen Thron saßen. Außerdem könnte ich Euch jetzt blumig erzählen, wie sich letzterer seines Widersachers Francois de Guise entledigte... aber besucht das Schloss lieber selbst, es lohnt sich!

Was mir in beiden Schlössern - Chenonceau und Blois - sehr gut gefallen hat, war das Vorgeben einer Route, auf der man die Geschichte(n) erkunden kann. So baut die Ausstattung der Räume gewissermaßen aufeinander auf bzw. orierntiert sich an den Gegebenheiten zu königlichen oder späteren Zeiten. Für die Kinder gab's in Blois auch immer wieder eine kleine Extra-Tafel, die auf bestimmte Gegebenheiten hinwies. Außerdem hatte man dort im Ständesaal extra einen kleinen Thron aufgebaut, auf dem sich jedermann und -frau fotografieren lassen konnten. Im selben Raum konnte man zudem die verschiedenen Bau-Epochen auf Video-Projektionen nachvollziehen und auf den Monitoren noch mehr Informationen erklicken. Sehr gelungen, wie ich finde!

Bei meiner ersten Besichtigung von Chenonceau ist mir eine Sache besonders in Erinnerung geblieben: ein offenes Feuer im Kamin einer der königlichen Schlafräume. Unvorstellbar, dass man so ein "Risiko" in einem deutschen Museum eingehen würde! Aber die Stimmung - und die Wärme -, die dieses Feuer ausstrahlte - einfach schön!

Echtes Feuer im Museum
Leider nur ein Handy-Bild von Museum mit offenen Kaminfeuer

Von Blois aus bin ich vor zwei Tagen weiter nach Orléans geradelt - immer entlang der Loire, vorbei am nächsten Atomkraftwerk und die letzten fünfzehn Kilometer in Begleitung eines netten Mittfünfzigers, der mit seinem 1978er-Rad in Vorbereitung auf eine kommende Radreise eine Samstagsrunde drehte. Das war eine gute Abwechslung auf dem schnellen, aber doch manchmal langweiligen Asphalt der Loire-Fahrrad-Autobahn".

Auch in Orléans hab ich ein Kulturtourismus betrieben, und zwar in dreifacher Weise: zum einen habe ich die "obligatorischen" Museen zur Lokalheldin Jeanne d'Arc besichtigt (Videoprojektionen und viiiiiele Malereien), zum anderen die katholische Messe zum Palmsonntag besucht (ich kann jetzt "Friede sei mit Dir" auf französisch sagen), und nicht zuletzt habe ich unheimlich viel von meinem peruanischen Gastgeber über sein Land und dortige Gegebenheiten gelernt. Das war unheimlich aufschlussreich und hat mich zum Nachdenken über die "Zivilisation", die Notwendigkeit (?) vom Lesenlernen und der Technisierung der Landwirtschaft angeregt...

Weiter geht's heute in Richtung Dijon, aber bevor ich dort ankomme, werde ich noch ein paar Tage durch die Bourgogne fahren - ohne Schlösser, aber hoffentlich weiter mit aufgeschlossen Menschen :-)

Samstag, 28. März 2015

Apropos Ausstattung...

Scheinbar hab ich es mit dem gestrigen Beitrag herausgefordert - Murphy jedenfalls fühlte sich verpflichtet, meine Ausstattung mal auf Vollständigkeit zu testen. Und so kam es, dass ich knapp zehn Kilometer hinter Blois ein wackeliges Gefühl beim Fahren bekam, was sich ziemlich schnell als erplattendes Hinterrad erwies. Gottseidank hat es entgegen der Wettervorhersage nicht geregnet, gottseinichtdank aber leider Wind geblasen. Das erschwerte das Finden des Loches und insofern auch des Übeltäters in Form eines kleinen spitzen Steinchens, was sich durch Mantel und Plastikschutzstreifen bis zum Schlauch durchgebohrt hatte.

Bevor ich es übergehe, möchte ich hiermit herzlich meiner "Fernwartung" aus Dresden danken, mit deren Hilfe ich die neu erworbene Luftpumpe für mein Ventile "umgebaut" hab. Und irgendwie bin ich auch froh, dass das Dreiergrüppchen radfahrender Franzosen erst eine halbe Stunde nach dem Erplatten an der Unglücksstelle vorbeigekommen sind. Sonst hätten sie nämlich eine derb deutsch fluchende Maria aufgefunden, die sich vielleicht sogar hätte helfen lassen... aber diese Tour ist ja dazu gedacht, dass ich selbst Hand anlege!

Der kleine Zwischenfall hat mir jedenfalls klar gemacht, dass ich durchaus nicht an alles gedacht habe bzw. nicht alle Bestandteile vollständig überprüft habe: die "Hebel" zum Mantel-über-die-Felge-Bewegen habe ich scheinbar beim Austesten der Ausrüstung zuhause liegen gelassen. Stattdessen behalf ich mir mit Bestandteilen meines Taschenmessers und hoffe, dass dies keine Schäden am Schlauch hinterlassen hat (es ist jetzt erstmal ein Ersatzschlauch drauf, den alten flicke ich heute abend). Außerdem täten ein paar Gummihandschuhe oder stattdessen Feuchttücher nicht schlecht, jedenfalls hatte ich ziemlich dreckige Hände nach der Aktion.

Es sind übrigens durchaus ein paar Autos während meiner Bastelei an mir (in knallgelber Jacke, Rock und umgedrehten Rad) vorbeigesaust und ich habe keine Geschwindigkeitsänderungen erahnen können. Ich frage mich, ob das in Deutschland auf einer kleinen Landstraße ebenso gewesen wäre?

Inzwischen bin ich übrigens schon wieder gute 20km weiter in Beaugency, trinke einen Grand Café au Lait (=Milchkaffee), schaue den Leuten beim Amigo(=Bingo)-Spielen zu und plane ein paar weitere Reisestationen. Das mache ich übrigens gern unterwegs, damit ich abends bei meinen Gastgebern nicht nur vor dem Rechner hänge. Und manchmal ergibt sich so auch ein nettes Gespräch mit der Lokalbevölkerung. Oder ein witziges Bild - bald wieder in besserer Auflösung, denn in Blois hab ich eine Gebrauchtkamera erworben. Allerdings war ich beim Schlauchwechsel erst so frustriert konzentriert, dass ich nicht wirklich ans fotografische Dokumentation gedacht habe...

Freitag, 27. März 2015

Gestatten, meine Ausstattung!

Da ich gestern recht lange in Tours bei IKEA saß und wartete, dass der Regen draußen weniger würde (ward er auch), dachte ich: schreib ich mal einen Artikel abseits der Landschaftsbeschreibung. Gleich geht es darum, was ich so täglich mit mir herumschleppe... für diejenigen, die sich eher für Frankreich als fürs Fahrradfahren interessieren: nächsten Eintrag lesen!

In einem früheren Eintrag habe ich ja schon angedeutet, warum ich gerade auf Reisen bin (Kurzversion: Selbstfindung und Erinnerungen-Auffrischen) – vielleicht mag auch der ein oder andere wissen, wie (Kurzversion: mit dem Fahrrad und Packtaschen). Legen wir also mal mit den Rahmen-Bedingungen los:

Luigi, mein Fahrrad, hat einen stabilen Giant-Stahlrahmen, an dem ein knapp sieben Jahre alter Laufradsatz mit 8-Gang-Nabenschaltung sowie Nabendynamo montiert sind. Der Rahmen ist eigentlich für eine Kettenschaltung gedacht, sodass ich zum Spannen der Kette hinten einen Umwerfer benötige, abgesehen davon ist das Fahrrad ziemlich „normal“. Soll heißen, ich besitze keine extrateuren Ultraleichtbau- oder Superschnellbremsteile, sondern eine Ausstattung, die sich in jedem normalen Radgeschäft ersetzen lässt. Dabei sind die mechanisch stark beanspruchten Teile tendentiell hochwertiger, die Bequemlichkeitskomponenten wie Sattel und Lenker eher ziemlich billig. Und so ist Luigi eine Art Straßenkötermischung aus den Fahrradäquivalenten von Schäferhund (Schnelligkeit, Zuverlässigkeit) und Mops (sieht nicht aus wie ein Windschnittiger). Gottseidank klauen Diebe lieber reinrassige Räder ;-)

Technischen Schnickschnack wie Kilometerzähler, GPS-Gerät und/oder Pulsmesser habe ich nicht mitgenommen – das einzige, was mir manchmal fehlt, ist der Kompass, der zuhause noch an der Pinnwand hängt. Für die Navigation benutze ich ganz klassisch eine Straßenkarte (1:350.000), schaue mir die Etappen vorher auf GoogleMaps an und schieße ganz gern noch ein paar Fotos mit meiner Handy-Kamera, falls meine Gastgeber eine genauere Karte besitzen. Außerdem scheue ich mich nicht, unterwegs Leute nach dem Weg zu fragen, was auch immer mal wieder einen Plausch und gute Radfahrtipps ergibt. Manchmal aber auch völlig verklärte Gesichter und die immer wiederkehrende Warnung: „Aber Achtung, das sind ganz kleine Straßen!“ (Ach nee, danach suche ich ja!)

Mein Gepäck transportiere ich mit dem Klassiker aller Optionen: mit Ortlieb-Packtaschen, zwei hinten und eine Lenkertasche vorn. Dank eines allseits bekannten Outdoorhandels, der seine Werbung in diversen Reisefotos platzieren möchte, haben meine Taschen die schöne Farbe orange (sie kosten dann nämlich bei ebendiesem Outdoorhandel ein paar Euronen weniger). Sie lassen sich ganz einfach per Klicktechnik am Gepäckträger hinten befestigen, vorne musste ich zuvor noch eine Art Schiene montieren. Dafür kann ich die Lenkertasche bei Bedarf auch mit einem Schlüssel festmachen, was für Kurzbesuche in Kirchen & Co. ganz praktisch ist.

Luigi vorm Bäcker
"Ich warte auf meinen Meister" steht auf dem Schild vorm Bäcker ;-)

In den Packtaschen selbst befinden sich folgende Kostbarkeiten: Klamotten (neben der obligatorischen Unterwäsche zwei Röcke, zwei Paar Leggins, zwei Sets Radoberteile in kurz und lang, eine Stadtjacke, Regenausstattung und einmal Schlafsachen), ein Schlafsack, ein Notfall-Mückenzelt (okay, dass ist sinnlos!), eine goldene Notfall-Decke, eine Pflaster- und Medizinbox, eine 0,5l-Thermoskanne, ein 10''-Notebook, Fahrradreparaturkit und Luftpumpe, ein Ultraleichthandtuch, ein Schal, meine Kosmetiktasche mit Zahnputzzeug und Ohrringen (grooooße Auswahl!), zwei Reisespiele („Set“ und „Heckmeck“) sowie Bücher und Verpflegung, wie sie mir gerade in die Hände fallen (und in die Taschen passen). Die Sachen habe ich so verstaut, dass beide Taschen etwa gleich viel wiegen, aber nur eine die „wertvollen“ und unersetzlichen Dinge (Rechner, Ausweise, Reparaturzeug, Klamotten und Kosmetik) enthält. Wenn ich mir eine Sehenswürdigkeit unterwegs anschaue, nehme ich dann meist auch nur diese Tasche mit und schließe den Rest mit einem Drahtschloss an. Das Fahrrad selbst und den Helm sichere ich mit einem Bügelschloss.

Ganz wichtig bei der Ausstattung ist inzwischen das Handy geworden, da meine Digitalkamera einen Tag nach meinem Strandbesuch in La Rochelle den Objektiv-Geist aufgegeben hat (der Fotoladen in Tours konnte mir da trotz Luftpustegerät nicht weiterhelfen). So ist mein Telefon derzeit Fotoapparat, Navigations- und Kommunikationshilfe in einem – ich bin begeistert, was so ein Smartphone alles kann. Hab sogar schon ein Gedicht während der Fahrt mit dem eingebauten Mikrofon aufgenommen :-)

Mit dem Handy fotografiere ich auch immer wieder mal in alter deutscher (?) Manier Essen – mal, weil es wirklich lecker aussieht, und mal, weil es situativ gerade passt. Heute zum Beispiel: Kanelbullar neben Macarons im französischen IKEA.

französische IKEA-Spezialitäten

Was das Essen im Allgemeinen betrifft, so bin ich flexibel und nehme das, was grad kommt. Grundsätzlich versuche ich aber immer, ein paar Proteine in Form von Nüssen, Nussmus oder Käse sowie schnellen Zucker (Trockenobst und Schokolaaaaaadeeee!) bei mir zu haben, meist kaufe ich auch unterwegs irgendwo noch ein Baguette oder anderes Brot. Abends wird meist bei den Gastgebern gekocht, für das morgendliche Heißgetränk trage ich immer eine Packung gemahlenen Kaffees mit mir herum. Dazu mache ich sehr oft unterwegs mal eine Verschnaufpause, bei der ich mir einen weiteren Kaffee oder eine lokale Backspezialität gönne. Kurzum: wer glaubt, ich könnte auf dieser Tour Modelmaße ersporteln, irrt!

Es gibt eine Sache, auf die ich immer wieder hingewiesen werde: der Fahrradständer („la becille“). Durch die Packtaschenpolsterung an den Seiten kann ich den vollbeladenen Luigi eigentlich sehr oft ganz bequem irgendwo anstellen – aber sobald ich das Gepäck abnehme, wird das Parken etwas wackelig. Da das oft passiert, wenn ich gerade bei Leuten ankomme oder losfahre, wird mir dann immer wieder zu einem Fahrradständer geraten. Ich weiß noch nicht, ob ich diesem Rad/tschlag standhalten werde...

Nachtrag zum Thema Regenschutz: der besteht bei mir aus einer Regenhose, die zugleich auch Wärmfunktion hat (d.h. wenn's kalt wird, trag ich sie über den Leggins), einer neongelben Regenjacke (aka: Warnfunktion!) und Regengamaschen über den Schuhen. Funktioniert bei leichtem Regen sehr gut, bei langanhaltendem starken Regen werden die Oberschenkel dann doch schon nass... Ich hab beim deutschen Outdoorausstatter aber auch solche knallgelben Regenüberzüge vom Hüfte bis Knie gesehen, vielleicht würde sich das für Starkregentage lohnen? Werd ich vielleicht irgendwann mal ausprobieren.

Die kleinen feinen Unterschiede

Am letzten Wochenende – genauer gesagt am Sonntag, wo in Frankreich die Geschäfte geschlossen sind – hab ich die „Grenze“ überschritten: meine Straßenkarte des französischen Südwestens reichte nicht mehr bis zum nächsten Etappenziel. Dank des GoogleMaps-Ausdrucks meines Gastgebers kam ich dennoch sicher nach Bressuire, wo ich den Nordwesten Frankreichs in Kartenform erstanden habe.

Und tatsächlich, mir begegnen immer wieder Hinweise darauf, dass ich mich nicht mehr im Süden befinde:
  • Die Leute sprechen ein Französisch, das meinem Schulfremdsprachenunterricht näher kommt als im Süden. Die Vokale sind klarer, aber die Dialekte hier klingen irgendwie auch nicht mehr so „bunt“ wie an der Küste, wo irgendwie jeder sein eigenes Sprachsüppchen gekocht hat... vielleicht gewöhn ich mich aber auch einfach nur an die französische Sprache, die ich inzwischen recht gut verstehe.
  • Die Sonne strahlt mir nicht mehr entgegen (oder verbrennt mein linkes Ohr), sondern scheint meistens von hinten – wenn sie sich überhaupt blicken lässt ;-)
  • Die Häuser im Süden waren oft unverputzt, was einen ganz besonderen Charme ausmacht. Dafür gibt es hier häufiger Fachwerkgebäude. Zudem haben hier ALLE Wohnstätten eine richtige Heizung, nicht nur einen Kamin und einen Notfall-Heizlüfter.
    Die „Chocolatines“ heißen hier „Pain au chocolat“. Und es gibt Brioches ohne Ende! (Letzteres ist aber eine Eigenart der Tourainer Gegend)
  • Die Bevölkerungsdichte abseits der großen Städte lässt merklich nach. Kein Wunder, da ist ja auch kein Strand, den man innerhalb einer Stunde erreichen kann. Ist aber auch sehr schön, wenn man so durch verschlafene Dörfer radelt....
Abgesehen davon gibt es auch Landschaftsmerkmale, die immer mal wieder auftauchen: Weinfelder, Kirchen aus allerlei Epochen, Chateaux in vielerlei Ausprägung sowie ziemlich regelmäßig angepflanzte Baumreihen, die der Forstwirtschaft später zum Abholzen dienen werden.

Ich bin mal gespannt, ob sich auch der französische Osten merklich vom Westen abheben wird!

Donnerstag, 26. März 2015

Geselliges Tours!

Bevor ich es vergesse, hier ein paar stichpunktartige Höhepunkte meines gestrigen Tours-Besuches:
  • Die Fenster der Kathedrale von Tours wurden vor nicht allzulanger Zeit restauriert, zum Teil neu bestückt und ausführlich auf Tafeln erklärt - man könnte dort einen halben Tag zubringen, ich hab es leider nur auf eine halbe Stunde gebracht (zu meiner Entschuldigung: ich hatte Hunger). Die Kirche ist übrigens St. Martin gewidmet, der hier aber gar nicht am 11.11. gefeiert wird...
  • Es gibt ein kleines, aber feines Café mit Filmverleih im Zentrum, wo man Filme vier Tage lang für nur 2,50€ ausleihen kann. Dort gab's einen Espresso und viel Literatur zum Thema bewegte Bilder...
  • Die Briocherie gegenüber vom Bahnhof spritzt auf Wunsch Marmeladen & Co. frische ins Milchbrötchen - ich entschied mich für die Maronencreme.
  • Hier gibt es nur Brioches... mit oder ohne Füllung
  • Statt strömenden Regen gab's vorrangig Sonnenschein, der sehr gut zum Blumenmarkt und meinem ersten Crepe des Jahres gepasst hat.
  • In der Touristeninfo fragte ich zuerst nach den vorrangig gezeigten Epochen im Kunstmuseum und ließ mir dann noch erzählen, was es sonst so für Museen in Tours gibt. So landete ich im frankreichweit einzigartigem Museum der "Compagnonnage", dem französischen Äquivalent für die deutschen Gesellenzünfte. Wer sich für Handwerk interessiert, MUSS eigentlich einmal dort gewesen sein - ich habe noch nie soviele Meisterwerke verschiedenster Künste auf einmal gesehen. Leider hatte ich den Akku meines Handys zuvor schon überstrapaziert, sodass ich nicht mit Bildern dienen kann. Ich versichere aber: das Museum ist klein, aber absolutsehenswert!
Nach den Höhepunkten füge ich noch eine kleine, für mich gestern eher ermüdende als lustige Episode hinzu: ich hatte meinen Gastgebern versprochen, abends zu kochen und wollte nicht allzu spät nach Hause kommen, also radelte ich bereits gegen 18:00 raus aus der Stadt, immer schön links der Loire entlang. Circa fünf Kilometer nach dem Ortsausgangsschild sah ich dann einen Hinweis auf den Weg zum Schloss Amboise... und da wurde mir endlich klar: ich bin in die falsche Richtung gefahren! Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich nicht allzu begeistert war. Es wurde letztendlich mithilfe der Tram ab Stadtmitte ein kleiner Wettlauf mit dem Sonnenuntergang - ich kam etwa 20 Uhr leicht frustriert und fröstelnd wieder bei meinen Gastgebern an. Einen Tee, ein paar Bratkartoffeln und ein Apfeltiramisu später ging's mir aber wieder gut.

"Strahlend schönes" Wetter

Vorbemerkung: Nachdem ich gestern eine halbe Stunde bei Expresso und Bahnhofsblick einen Regenetappeneintrag geschrieben und im OpenOffice-Format .odt abgespeichert hab, begrüßte mich beim Öffnen der Datei heute morgen ein leeres Dokument. Ich versuche also mal, meine gestrigen Erinnerungen in ähnlicher Form wiederzugeben.

Meine Dienstagsradelei von Saumur bis Tours bin ich schon im Voraus öfter abgefahren: noch einmal eine Runde durch die Stadt drehen, vom Schloss aus ins Loiretal schauen, dann über zwei Brücken hinüber auf die Nordseite, westwärts Richtung Tours, bis der Campingplatz ausgeschildert ist. Dort anhalten, vielleicht einen Plausch mit den Angestellten halten, weiter nach Westen bis zur Eisenbrücke, die mich rüber nach Montsoreau bringt...

Der Plan hat soweit gut funktioniert, nur hatte ich Land und Leute in meiner Vorstellung bereits in strahlenden Sonnenschein, gepaart mit luftigen Frühlingstemperaturen gepackt. Die Realität bescherte mir unendliche Weiten dicker Regenwolken, die sich über mir entladen wollten. Meine Regenhose war schon komplett durchnässt, als ich auf dem Zeltplatz angekommen bin. Insofern ganz gut, dass das neue Restaurant dort nicht nur in der Saison, sondern ganzjährig aufhatte - so konnte ich mich ein erstes Mal zwischentrocknen.

Es gibt Orte, die verändern in zehn Jahren komplett ihren Charakter - und solche, die bleiben trotz vieler Änderungen in ihren Grundzügen gleich. Zu letzteren zählt "mein" Campingplatz in Varennes-sur-Loire. Der Tennisplatz ist inzwischen eine Mischung aus Fußball- und Basketballfeld, das alte Lokal nicht mehr in Betrieb und wo früher die Eurocamp-Mitarbeiter geschlafen haben, steht heute eine kleine Eselfarm für die Kinder - aber ansonsten sah es aus wie vor elf Jahren, viel Grün, viele Eurocamp-Wagen im hinteren Bereich und die Chefin an der Rezeption macht auch immer noch denselben strengen, aber freundlichen Eindruck. Zwar hatte die Eurocamp-Saison noch nicht begonnen, aber der "reguläre" Zeltplatz war bereits in Betrieb.

Nachdem ich das Schloss von Montsoreau passiert hatte, begann für mich touristisches Neuland - es ist unglaublich, wie wenig ich damals von der Gegend gesehen habe! Tatsächlich habe ich in den drei Monaten Zeltplatzarbeit lediglich die großen Städte Nantes, Angers und Tours sowie die Schlösser von Saumur, Montsoreau und das "Leonardo-da-Vinci-Schloss" (Ort vergessen, muss ich nachschauen) besucht. Die restlichen freien Tage - ich arbeitete damals sechs von sieben Tagen in der Woche - brauchte ich hauptsächlich zum Gesichtsmuskelentspannen (wegen des Dauerlächelns gegenüber der Campingkunden) und Ausflügen zu den damaligen Cybercafés in Saumur. Merke: Fernbeziehung mindert touristische Auslandserfahrung!

Während die Wolken über mir also fleißig weiter aufdrehten, passierte ich ein paar neue Dörfer entlang der Loire, überquerte den Fluss Indre und konnte mich dann zwischen Straße und Fernradweg entscheiden. Meine erste Entscheidung fiel zugunsten des Radweges aus, was ich später ehrlich gesagt bereute. Dazu schreib ich ein anderes Mal mehr - in diesem Fall ergab sich das Bereuen vor allem durch die zusätzlichen Kilometer bei Sch...wetter. An der nächsten Weggabelung wählte ich also die D-Straße ("route Departementale", also sozusagen eine Landkreisstraße - die kann aber je nach Umgebung auch Bundesstraßencharakter haben) und fand mich plötzlich vor einer dicken, dunklen, nach Südwesten abdampfenden Kondenswasserwolke wieder.

Kondenswasserwolke

Meine Vermutung, dass ich gleich ein Kraftwerk von nahem sehen würde, bestätigte sich in Form von Schildern und großzügig verbautem Stacheldrahtzaun um ein riesiges Gebiet, dass sich als "Centre nucláire de Chinon" ausweiste. "Daher weht also der Wind! ", dachte ich und war froh, dass ich unter der Wolke hindurch und nicht am Schloss von Chinon durch Kondenswasserregen hindurchgestrampelt bin. Mir ist schon klar, dass die Kraftwerkswolken eigentlich gaaaaar nicht gefährlich sind... aber trotzdem ergab sich da so ein komisches Gefühl. Ich war ehrlich beeindruckt ob der Größe der Anlage, die eine ganz eigenartige Stimmung "ausstrahlte".

Gute zehn Kilometer weiter legte ich eine weitere Trocken- und Aufwärmpause bei heißer Schokolade in Rizne-Usse ein, wo ich die answesenden Gäste mit meinem Sonderwunsch (Zimt ins Heißgetränk) erstaunte. Meine Leggins sind auch nach einer knappen dreiviertel Stunde nicht wirklich getrocknet, aber immerhin ließ in der Zeit der Regen etwas nach, sodass ich die letzten 25 km vorbei am - schon geschlossenen - Schloss Villandry zumindest nicht mehr gefroren habe. Ganz ehrlich, 60 km im strömenden Regen mache ich nicht nochmal!

Regenradelei

Das Couchsurfing-Ehepaar aus Ballan-Miré, ca. 7km vor Tours, begrüßte mich schon leicht besorgt und ich war seeehr froh über die heiße Dusche, die ich mir zugleich gönnte. Und als Höhepunkt des Tages gab es auch noch ein "echtes" vegetarisches Abendbrot in Form von Tofuwürstchen und Bohnen-Möhren-Gemüse - mein Glück, dass die Tochter des Hauses auch Vegetarierin ist ;-) Und so fiel ich abends geschafft, aber zufrieden in mein Prinzessin-auf-der-Erbse-weiches Bett...

Mittwoch, 25. März 2015

Canapennen

Da ich seit mehr als drei Wochen überwiegend couchsurfend unterwegs bin, möchte ich dazu gern ein paar Zeilen schreiben. Vielleicht fragt sich ja der ein oder andere: wie funktioniert das denn? Ist das sicher? Und warum überhaupt macht sie das?

Meine Couchsurfing-Geschichte begann 2004, als ich mich bei der ZVS für einen Studienplatz der Psychologie im Sommersemester beworben hatte. Die Auswahl der Universitäten war mit Berlin, Gießen und Würzburg sehr gering, mein Interesse für letzteren Ort aufgrund der Distanz zzur Heimat und Stadtgröße am höchsten. Also entschied ich mich, den Franken mal einen Besuch abzustatten. Ich hatte keine Ahnung vom dortigen Zimmerangebot, suchte im Internet nach Übernachtungsoptionen – und fand den „Hospitalityclub“.

Hospitality – die Gastfreundschaft – gepaart mit einer Internetplattform, auf der man sich vorstellen, nach Übernachtungen in anderen Städten suchen und andere Nutzer „bewerten“ kann, das gefiel mir. Ich meldete mich kurzerhand an und fand eine Studentin aus Würzburg, die mir für zwei Nächte ihre Couch lieh und mich zudem einen Abend durch die Stadt begleitete. Zwar habe ich den Studienplatz aufgrund meines damaligen Frankreichaufenthaltes doch nicht angenommen, aber Würzburg blieb mir in freudiger Erinnerung.

Ein paar Jahre später in Schweden half mir der Hospitalityclub wiederholt, auf Wochenend- und beim Nach-Hause-Reisen bei Leuten vor Ort zu übernachten – ich werde nie vergessen, wie ich in Tromsö mit meinen polnischen Gastgebern im norwegischen Studentenwohnheim die Fußball-WM geguckt habe und einem spanischen Sofa-Tauscher die Stadt plus Fjord von oben betrachtet habe! In Schweden konnte ich auch das erste Mal selbst als Gastgeberin aushelfen.

Den Hospitalityclub – der übrigens in Dresden gegründet wurde! - gibt es immer noch, allerdings befindet er sich inzwischen im Dornröschenschlaf. Couchsurfing, eine Website mit demselben Austauschgedanken, aber zeitgemäßerer Programmierung, hat inzwischen „den Markt“ übernommen und so bin ich seit 2012 auch hier Mitglied. Die Funktionsweise ist denkbar einfach: man meldet sich an, erzählt etwas über sich und seine (Schlaf)Vorlieben sowie über die mögiche Hilfe, die man anderen bieten kann (Schlafplatz, Stadtführung, Kaffee & Tee,...) und dann kann's eigentlich schon losgehen!

Ich versuche immer, spätestens vier Tage vor meiner Ankunft Gastgeber gefunden zu haben, was bis auf wenige Ausnahmen meistens auch geklappt hat. Ich lese mir die Profile und Referenzen der möglichen Gastgeber möglichst genau durch, schaue wer vielleicht am besten zu mir passt – es gibt zum Beispiel viele Musiker unter den Mitgliedern – und schreibe dann ein paar Zeilen zu meiner Tour mit der Bitte um Schlafgelegenheit. In den größeren Städten gibt es natürlich viel mehr Couchsurfer, sodass ich in den kleinen Orten nicht sehr wählerisch sein kann. Wenn ich niemanden finde oder ein komisches Gefühl bekommen sollte (das ist bisher noch nicht passiert), suche ich halt Jugendherbergen oder im Notfall ein Hotel.

Interessanterweise habe ich bisher kaum auf echten Sofas – hier Canapés genannt – übernachtet, sondern hab sehr oft ein Gästezimmer belegt. Das ist das Schöne am Couchsurfen: man weiß nie genau, was man bekommt, gewissermaßen wie bei Forrest Gumps Schachtel Pralinen. Ich mag, dass man bei echten Menschen zuhause und nicht in einem frischgeputzten Hotelzimmer übernachtet. Meist teilt man auch Essen und Einsichten am Abendbrottisch, sodass man viel mehr über Land und Leute erfährt. So merke ich inzwischen sehr deut(sch)lich, wie ich auf „Teller“ als frühstückliche Brotunterlage geeicht bin. Die Franzosen verzichten gern drauf oder benutzen ein kleines Tablett...

Meiner Meinung nach sprechen sehr viele Gründe fürs Couchsurfen:
  • Man trifft Menschen unterschiedlicher Herkunft und lernt andere Lebensweisen kennen - wenn man Gastgeber ist, sogar in den eigenen vier Wänden.
  • Als Gast bekommt man Informationen über die lokalen Gegebenheiten, oft sogar Tipps für aktuelle Veranstaltungen, die gar nicht in Touristenführern stehen.
  • Wenn man seinen eigenen Schlafsack und Handtücher mitbringt, erspart man der Umwelt ziemlich viel Wasser- und Waschmittelverbrauch.
  • Es ist günstig – wobei dies nicht der ausschlaggebende Grund sein sollte. Ein guter Couchsurfer ist ja nicht nur Gast, sondern auch Gastgeber. Zudem finde ich es persönlich immer nett, mit einer Flasche Wein, Käse oder anderen Dingen zum Essen beizutragen.
  • Man erkundet nicht nur das Reiseziel, sonder gewissermaßen auch sich selbst und seinen Herkunftsort. Die anderen Couchsurfer sind ja auch oft reiselustig ;-)
Während ich so in den letzten Tagen über diese Form des Reisens nachdachte, habe ich mich gefragt, seit wann es das Konzept „Hotel“ im heutigen Verständnis überhaupt gibt. Couchsurfen im Sinne von „Übernachten bei Privatpersonen“ ist ja eigentlich gar nicht so neu – das wurde Jahrtausende lang praktiziert. Der einzige Unterschied ist die Art der Unterkunftssuche. Und die ist mit dem Internet eigentlich seeeehr bequem...

Montag, 23. März 2015

SAUMUR!

Waaaaah.... ist das schön, wieder einmal hier zu sein!

Ich sitze gerade bei einem Glas Rotwein - natürlich von den Côtes de Saumur! - auf der Insel in "meiner" Stadt und bekomme gerade Nudeln mit Wok-Gemüse serviert. Gleich geh' ich mit dem Couchsurfer noch eine Runde schauen, was sich in den elf Jahren seit meiner Abreise verändert hat. Nicht, dass ich mich an viel erinnern könnte ;-)

Morgen geht's weiter nach Tours, vorbei an "meinem" Campingplatz in Varennes-sur-Loire.

Fotos folgen:
Das Ortseingangsschild, davor Luigi und eine glücklich-geschaffte MuTZ:
Saumur, Luigi und ich.

Das Rathaus und im Hintergrund, leider nicht ganz scharf, der obligatorische "Charlie-Hinweis"
Rathaus mit Charlie-Spruch

Hinter diesen Fensterläden verbarg sich anno 2004 ein Cybercafé, wo ich viele Stunden zugebracht habe - jetzt zu vermieten:
Ex-Cybercafé zu vermieten

Über diese Brücken bin ich früher in die Stadt geradelt (im Hintergrund das Schloss) - diesmal hab ich auf der Insel übernachtet, im zweiten Haus links neben der Brücke. Loire-Blick inklusive ;-)
Regentrüber Saumur-Blick

Zieleinlauf kurz vor dem Campingplatz "Etang de la Brèche":
500m vorm Ziel

Oh ja, es hat geregnet heute, am Dienstag... 60km mit Gießkannenschauer kann ich nicht empfehlen!

Que du vent

Es ist etwas ruhiger um meine Reiseerzählungen geworden – zuerst, da es im Form von Sprachgewirr lauter um mich wurde. Da wollte ich mich lieber aufs Zuhören, Verstehen, Übersetzen und Kennenlernen neuer Formulierungen konzentrieren. Witzigerweise war deutsch dabei die untergeordnete Sprache. So saß ich am Mittwochabend in einer Kneipe in einem Raum mit mindestens 40 Landsleuten, die für einen Sprachkurs nach La Rochelle gekommen waren. Aus Platzgründen war es aber unmöglich, sich zu den Deutschen zu setzen, sodass ich letztendlich den ganzen Abend französisch und in Wortfetzen englisch gesprochen habe...

Insgesamt bin ich drei Nächte in La Rochelle geblieben und habe in diesen zuerst allein und zuletzt zu viert das Wohnzimmer des Couchsurfing-Pärchens belegt. Die beiden sind erst seit kurzem in der Stadt und erkunden sie daher selbst noch ein wenig, sodass ich mit ihr auch einen langen Spaziergang und zusammen mit den beiden Finnen einen Ausflug ins Museum der französisch-amerikanischen Beziehungen gemacht habe. Den Besuch letzteren kann ich nur empfehlen, denn da vermischt sich ein wunderschönes altes Herrenhaus mit beeindruckenden Malereien sowie anderen Kunstwerken und nicht zuletzt der – manchmal traurigen – Geschichte der „Eroberung“ Amerikas. Mir blieb so manchmal die Kinnlade offen stehen angesichts der Fakten zu Sklavenhandel und Co. Wusstet Ihr zum Beispiel, dass Frankreich die Sklaverei zweimal abschaffen musste, weil Napoleon sie kurzerhand wieder eingeführt hatte?

Der zweite Grund für meine selbstgewählte Aufenthaltsverlängerung in La Rochelle war das Wetter. Ich hatte mir wirklich vorgenommen, schon am Freitag weiterzuradeln, aber mein Gastgeber kam nach dem morgendlichen Joggingausflug ziemlich durchnässt zurück in die Wohnung und erzählte, dass ihm der Wind ganz ordentlich angeblasen hat. Da ich auch immer noch einen leichten Schnupfen mit mir herumschleppte, entschied ich mich dann für einen weiteren Tag in der Stadt, beziehungsweise vor allem in der Wohnung. Nach einem Spielevormittag habe ich Gemüse und Kokosmilch fürs Abendbrot gekauft, dann kam besagter Museumsausflug und abends saßen wir in lustiger Runde, tranken Wein und Rummischgetränke, bis wir uns in den frühen Morgenstunden in unsere Schlafsäcke einrollten.

Das Wetter war dann auch in den letzten zwei Tagen nicht sonderlich gnädig mit mir. Blies mir der Wind von La Rochelle bis Marans noch allein entgegen, gesellte sich danach noch der Regen für ca. 15km mit dazu. Auf dieser Strecke konnte ich das erste Mal die Qualität meiner Regensachen prüfen – und muss sagen, ich bin sehr zufrieden! Die letzten Kilometer entlang des Flusses Vendée begleitete mich dann schon der nächste Couchsurfer aus Fontenay-le-Comte, der zuvor ein halbes Jahr kein Fahrrad gefahren war. Er war danach auch etwas geschafft ;-)

Die Vendée verdient aufgrund der guten Fahrradwegbeschilderung und einem scheinbar unergründlichen Lokalpatriotismus eigentlich einen eigenen Artikel – ich weiß nur noch nicht, ob ich dazu kommen. Lass Euch auf jeden Fall gesagt sein, dass ich bisher in keinem Departement so viele Hinweise auf die regionale Identität gefunden habe! Und für die Mathematikaffinen noch ein Schmankerl: in Fontenay-le-Comte lebte und arbeitete Francois Viète, der das Rechnen mit Variablen (wieder)“erfand“ und der damit für manche als Gründungsvater der Algebra gilt.

Meine gestrige Etappe von Fontenay-le-Comte bis Bressuire war gewissermaßen die härteste, die ich bisher absolviert habe. Zwar waren es nur etwa 60km in hügeligem, aber nicht extrem steilem Gelände – dafür hatte ich aber durchgängig Gegenwind und, noch viel schlimmer, zu wenig Wegzehrung mitgenommen. Irgendwie war ich davon ausgegangen, unterwegs schon eine Bäckerei zu finden, weil das bisher immer so gut geklappt hat. Leider hat mir aber die Bevölkerungsdichte in Kombination mit dem Wochen- und Wahltag Sonntag einen Strich durch die Rechnung gemacht. So war ich dann in St.Pierre-sur-Chemin extrem dankbar dafür, dass sich eine Brasserie fand, die mich mit Kaffee, Ziegenkäse-Panini und einem Bountyriegel für die Weiterreise versorgte.

Aufgrund des starken Gegenwinds war ich auch echt langsam und kam erst nach 18:00 Uhr in Bressuire an, wo ich auf der Suche nach Couchsurfing-Unterkünften zuvor leider noch nicht fündig geworden war. So fragte ich mich nach „günstigen Schlafmöglichkeiten“ durch die Stadt und hoffte ein wenig, eine mildgestimmte Seele möge mich mit nach Hause nehmen. Stattdessen bekam ich viel Schulterzucken und nur wenige Hinweise darauf, wo es überhaupt Pensionen geben könnte. Das einzige stadtinnere Hotel war dann auch noch geschlossen!

Letztendlich radelte ich in der Dämmerung wieder vor die Tore der Stadt, wo ein kleines Hotel namens „Les Trois Marchands“ (die drei Händler) angesiedelt ist. So kam ich denn zu meiner teuersten bisherigen Übernachtung, bei der ich mir dann aber zumindest ein Bad gegönnt habe. Jetzt sitze ich in meinem Doppelbett und überlege, ob ich zum Frühstücken zurück in die Stadt oder lieber mit frischgekauftem Brot und Obst irgendwo aufs Feld fahre. Mein Hunger spricht für die erste Version.

Der Wind, der Wind, das himmlische Kind, wird mich auch heute wieder piesacken und ich begegne ich ihm mit meinem deutschen Akzent und sage „Il y a que du vent“ (es gibt nur Wind), was in französischen Ohren wie „Il y a que du vin“ (es gibt nur Wein) klingt. Denn heute abend, meine Lieben, bin ich zurück an der Loire, und das werde ich mit einem Gläschen Rotem feiern!

Freitag, 20. März 2015

Frankodenglosuedophonie

Ich sitze gerade mit meinen französischen Gastgebern und schwedischsprechenden Finnen im Wohnzimmer, in dem ich letzte Nacht zusammen mit einem anderen Deutschen übernachtet habe... hätte nie gedacht, dass ich soooo viele Sprachen in so kurzer Zeit durchprobieren kann. Das macht wirklich Spaß!

Bin übrigens immer noch in La Rochelle, da der Wind heute den Regen von Nordost aus vor sich hin schiebt und das ist blöderweise genau die Richtung, in die ich radeln wollte. Das ist aber nicht so schlimm, denn so konnte ich heute morgen endlich mal wieder SET spielen, meine Kochkünste ausprobieren (und sich damit mal bei den Gastgebern revanchieren), ein paar organisatorische Dinge zuhause klären und werde später auch noch ein Museum besuchen. Dazu freuen sich auch meine Nase, meine Knie und mein rechter Fuß über die Pause ;-)

Donnerstag, 19. März 2015

Meeeee(h)r!

Luigi am Meer

Ich sag nur mal kurz "Salut", bevor ich mich aufmache, um La Rochelle zu erkunden. Und damit Ihr schonmal einen ersten Eindruck bekommt, gibt's hier eine kurze Liste von dem, was es auf den letzten Etappen mee(h)r gab:
  • Wein, Wein, Wein, Wein... Chateaux... und Wein - so ziemlich genau von Bordeaux bis Cognac
  • Sonne und damit einhergehend die Fortsetzung meines Sonnenbrands :-/
  • Genau soviel Wärme, dass ich dazu übergegangen bin, statt eines T-Shirts plus winddichter Jacke zwei winddurchlässige Shirts übereinanderzuziehen... dafür hab ich jetzt mehr Schnupfen als zuvor :-(
  • Käse - Comté, Chèvre, Brebis, Camembert,... ich arbeite mich langsam durch!
  • Wasser in süßer Form an der Charente und mit Salzzugabe am Atlantik
  • Strand und Sand, der durch die Finger rinnt
Strandpause

Aufgrund des Schnupfens pausier ich mal wieder einen Tag, was aber angesichts des touristischen Potentials dieser Stadt gar nicht so schlecht ist. Zudem liegt hier im Hafen gerade die "Hermione" - ein Segelschiff, was in alter Handwerksmanier gezimmert wurde, um bald den Hafen in Richtung New York zu verlassen. Das will ich mir nachher unbedingt anschauen!

La Rochelle ist übrigens die Partnerstadt von Lübeck, was mich aus nostalgischen Gründen gleich in gute Stimmung versetzt. Gestern dagegen hab ich in Rochefort - der Partnerstadt von Papenburg und ebenso Schiffsbauhochburg - in der Jugendherberge genächtigt. So, jetzt aber raus an die frische (Meeres)Luft!

So sah sie dann aus, die Hermione... und die Schlange, die mich - neben des Eintrittspreises - von der Besichtigung abgehalten hat:
Die

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Danke für den Artikel....
Danke für den Artikel. Er trifft m.E. so manchen Nagel...
Waldwuffel (Gast) - 4. Mär, 22:04

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