Freitag, 27. März 2015

Gestatten, meine Ausstattung!

Da ich gestern recht lange in Tours bei IKEA saß und wartete, dass der Regen draußen weniger würde (ward er auch), dachte ich: schreib ich mal einen Artikel abseits der Landschaftsbeschreibung. Gleich geht es darum, was ich so täglich mit mir herumschleppe... für diejenigen, die sich eher für Frankreich als fürs Fahrradfahren interessieren: nächsten Eintrag lesen!

In einem früheren Eintrag habe ich ja schon angedeutet, warum ich gerade auf Reisen bin (Kurzversion: Selbstfindung und Erinnerungen-Auffrischen) – vielleicht mag auch der ein oder andere wissen, wie (Kurzversion: mit dem Fahrrad und Packtaschen). Legen wir also mal mit den Rahmen-Bedingungen los:

Luigi, mein Fahrrad, hat einen stabilen Giant-Stahlrahmen, an dem ein knapp sieben Jahre alter Laufradsatz mit 8-Gang-Nabenschaltung sowie Nabendynamo montiert sind. Der Rahmen ist eigentlich für eine Kettenschaltung gedacht, sodass ich zum Spannen der Kette hinten einen Umwerfer benötige, abgesehen davon ist das Fahrrad ziemlich „normal“. Soll heißen, ich besitze keine extrateuren Ultraleichtbau- oder Superschnellbremsteile, sondern eine Ausstattung, die sich in jedem normalen Radgeschäft ersetzen lässt. Dabei sind die mechanisch stark beanspruchten Teile tendentiell hochwertiger, die Bequemlichkeitskomponenten wie Sattel und Lenker eher ziemlich billig. Und so ist Luigi eine Art Straßenkötermischung aus den Fahrradäquivalenten von Schäferhund (Schnelligkeit, Zuverlässigkeit) und Mops (sieht nicht aus wie ein Windschnittiger). Gottseidank klauen Diebe lieber reinrassige Räder ;-)

Technischen Schnickschnack wie Kilometerzähler, GPS-Gerät und/oder Pulsmesser habe ich nicht mitgenommen – das einzige, was mir manchmal fehlt, ist der Kompass, der zuhause noch an der Pinnwand hängt. Für die Navigation benutze ich ganz klassisch eine Straßenkarte (1:350.000), schaue mir die Etappen vorher auf GoogleMaps an und schieße ganz gern noch ein paar Fotos mit meiner Handy-Kamera, falls meine Gastgeber eine genauere Karte besitzen. Außerdem scheue ich mich nicht, unterwegs Leute nach dem Weg zu fragen, was auch immer mal wieder einen Plausch und gute Radfahrtipps ergibt. Manchmal aber auch völlig verklärte Gesichter und die immer wiederkehrende Warnung: „Aber Achtung, das sind ganz kleine Straßen!“ (Ach nee, danach suche ich ja!)

Mein Gepäck transportiere ich mit dem Klassiker aller Optionen: mit Ortlieb-Packtaschen, zwei hinten und eine Lenkertasche vorn. Dank eines allseits bekannten Outdoorhandels, der seine Werbung in diversen Reisefotos platzieren möchte, haben meine Taschen die schöne Farbe orange (sie kosten dann nämlich bei ebendiesem Outdoorhandel ein paar Euronen weniger). Sie lassen sich ganz einfach per Klicktechnik am Gepäckträger hinten befestigen, vorne musste ich zuvor noch eine Art Schiene montieren. Dafür kann ich die Lenkertasche bei Bedarf auch mit einem Schlüssel festmachen, was für Kurzbesuche in Kirchen & Co. ganz praktisch ist.

Luigi vorm Bäcker
"Ich warte auf meinen Meister" steht auf dem Schild vorm Bäcker ;-)

In den Packtaschen selbst befinden sich folgende Kostbarkeiten: Klamotten (neben der obligatorischen Unterwäsche zwei Röcke, zwei Paar Leggins, zwei Sets Radoberteile in kurz und lang, eine Stadtjacke, Regenausstattung und einmal Schlafsachen), ein Schlafsack, ein Notfall-Mückenzelt (okay, dass ist sinnlos!), eine goldene Notfall-Decke, eine Pflaster- und Medizinbox, eine 0,5l-Thermoskanne, ein 10''-Notebook, Fahrradreparaturkit und Luftpumpe, ein Ultraleichthandtuch, ein Schal, meine Kosmetiktasche mit Zahnputzzeug und Ohrringen (grooooße Auswahl!), zwei Reisespiele („Set“ und „Heckmeck“) sowie Bücher und Verpflegung, wie sie mir gerade in die Hände fallen (und in die Taschen passen). Die Sachen habe ich so verstaut, dass beide Taschen etwa gleich viel wiegen, aber nur eine die „wertvollen“ und unersetzlichen Dinge (Rechner, Ausweise, Reparaturzeug, Klamotten und Kosmetik) enthält. Wenn ich mir eine Sehenswürdigkeit unterwegs anschaue, nehme ich dann meist auch nur diese Tasche mit und schließe den Rest mit einem Drahtschloss an. Das Fahrrad selbst und den Helm sichere ich mit einem Bügelschloss.

Ganz wichtig bei der Ausstattung ist inzwischen das Handy geworden, da meine Digitalkamera einen Tag nach meinem Strandbesuch in La Rochelle den Objektiv-Geist aufgegeben hat (der Fotoladen in Tours konnte mir da trotz Luftpustegerät nicht weiterhelfen). So ist mein Telefon derzeit Fotoapparat, Navigations- und Kommunikationshilfe in einem – ich bin begeistert, was so ein Smartphone alles kann. Hab sogar schon ein Gedicht während der Fahrt mit dem eingebauten Mikrofon aufgenommen :-)

Mit dem Handy fotografiere ich auch immer wieder mal in alter deutscher (?) Manier Essen – mal, weil es wirklich lecker aussieht, und mal, weil es situativ gerade passt. Heute zum Beispiel: Kanelbullar neben Macarons im französischen IKEA.

französische IKEA-Spezialitäten

Was das Essen im Allgemeinen betrifft, so bin ich flexibel und nehme das, was grad kommt. Grundsätzlich versuche ich aber immer, ein paar Proteine in Form von Nüssen, Nussmus oder Käse sowie schnellen Zucker (Trockenobst und Schokolaaaaaadeeee!) bei mir zu haben, meist kaufe ich auch unterwegs irgendwo noch ein Baguette oder anderes Brot. Abends wird meist bei den Gastgebern gekocht, für das morgendliche Heißgetränk trage ich immer eine Packung gemahlenen Kaffees mit mir herum. Dazu mache ich sehr oft unterwegs mal eine Verschnaufpause, bei der ich mir einen weiteren Kaffee oder eine lokale Backspezialität gönne. Kurzum: wer glaubt, ich könnte auf dieser Tour Modelmaße ersporteln, irrt!

Es gibt eine Sache, auf die ich immer wieder hingewiesen werde: der Fahrradständer („la becille“). Durch die Packtaschenpolsterung an den Seiten kann ich den vollbeladenen Luigi eigentlich sehr oft ganz bequem irgendwo anstellen – aber sobald ich das Gepäck abnehme, wird das Parken etwas wackelig. Da das oft passiert, wenn ich gerade bei Leuten ankomme oder losfahre, wird mir dann immer wieder zu einem Fahrradständer geraten. Ich weiß noch nicht, ob ich diesem Rad/tschlag standhalten werde...

Nachtrag zum Thema Regenschutz: der besteht bei mir aus einer Regenhose, die zugleich auch Wärmfunktion hat (d.h. wenn's kalt wird, trag ich sie über den Leggins), einer neongelben Regenjacke (aka: Warnfunktion!) und Regengamaschen über den Schuhen. Funktioniert bei leichtem Regen sehr gut, bei langanhaltendem starken Regen werden die Oberschenkel dann doch schon nass... Ich hab beim deutschen Outdoorausstatter aber auch solche knallgelben Regenüberzüge vom Hüfte bis Knie gesehen, vielleicht würde sich das für Starkregentage lohnen? Werd ich vielleicht irgendwann mal ausprobieren.

Die kleinen feinen Unterschiede

Am letzten Wochenende – genauer gesagt am Sonntag, wo in Frankreich die Geschäfte geschlossen sind – hab ich die „Grenze“ überschritten: meine Straßenkarte des französischen Südwestens reichte nicht mehr bis zum nächsten Etappenziel. Dank des GoogleMaps-Ausdrucks meines Gastgebers kam ich dennoch sicher nach Bressuire, wo ich den Nordwesten Frankreichs in Kartenform erstanden habe.

Und tatsächlich, mir begegnen immer wieder Hinweise darauf, dass ich mich nicht mehr im Süden befinde:
  • Die Leute sprechen ein Französisch, das meinem Schulfremdsprachenunterricht näher kommt als im Süden. Die Vokale sind klarer, aber die Dialekte hier klingen irgendwie auch nicht mehr so „bunt“ wie an der Küste, wo irgendwie jeder sein eigenes Sprachsüppchen gekocht hat... vielleicht gewöhn ich mich aber auch einfach nur an die französische Sprache, die ich inzwischen recht gut verstehe.
  • Die Sonne strahlt mir nicht mehr entgegen (oder verbrennt mein linkes Ohr), sondern scheint meistens von hinten – wenn sie sich überhaupt blicken lässt ;-)
  • Die Häuser im Süden waren oft unverputzt, was einen ganz besonderen Charme ausmacht. Dafür gibt es hier häufiger Fachwerkgebäude. Zudem haben hier ALLE Wohnstätten eine richtige Heizung, nicht nur einen Kamin und einen Notfall-Heizlüfter.
    Die „Chocolatines“ heißen hier „Pain au chocolat“. Und es gibt Brioches ohne Ende! (Letzteres ist aber eine Eigenart der Tourainer Gegend)
  • Die Bevölkerungsdichte abseits der großen Städte lässt merklich nach. Kein Wunder, da ist ja auch kein Strand, den man innerhalb einer Stunde erreichen kann. Ist aber auch sehr schön, wenn man so durch verschlafene Dörfer radelt....
Abgesehen davon gibt es auch Landschaftsmerkmale, die immer mal wieder auftauchen: Weinfelder, Kirchen aus allerlei Epochen, Chateaux in vielerlei Ausprägung sowie ziemlich regelmäßig angepflanzte Baumreihen, die der Forstwirtschaft später zum Abholzen dienen werden.

Ich bin mal gespannt, ob sich auch der französische Osten merklich vom Westen abheben wird!

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