Freitag, 3. April 2015

Falsch verliebte Freunde

Es gibt ja viele Gründe, eine zeitlang von zuhause weg zu gehen. Die meisten davon kann man in zwei Schubladen einsortieren: eine für "Vermeidung" und eine fürs "Kennenlernen". In die erste Kategorie fallen die Reiseanlässe Wetter, Erholung von der Arbeit (=dem Stress entfliehen) und gegebenenfalls auch die Flucht vor der Staatsgewalt ;-) Die zweite Schublade bleibt offen für touristische Erkundungen, Begegnungen mit Menschen und für neue Sprachen, wenn man sich für eine fremdzüngige Gegend entscheidet. Ich mag diese Schublade ziemlich und ziehe heute mal das Thema "Wie man sich in Frankreich verliebt" heraus...

Leider kann ich die Liebe in Frankreich nur aus linguistischer Sicht beleuchten, aber schon das macht mir Freude. Es ist nämlich so, dass im Land der Liebe, die hier so vollmundig als "l'amour" [lamur] bezeichnet wird, andere Sprachregeln herrschen als im Deutschen. Bei uns sind menschliche Beziehungen verbal fein abgegrenzt: Bekannte, Kumpels und Freunde "mag" man, den partnerschaftlichen Freund bzw. Partner, Verlobten und Ehemann "liebt" man. Bestenfalls, versteht sich ;-) Wenn das auf französisch so einfach wär! Für "mögen" und "lieben" gibt es hier nämlich nur ein Wort: aimer. Die gesteigerte Form "adorer" bezeichnet eine Art abgöttische Liebe, die man eher für tolle Speisen als täglich für den Partner einsetzen würde. Nehm ich mal an, wer weiß, ob es Paare gibt, die sich täglich adorieren...

Auf jeden Fall wird's für Deutsche schwierig, mal eben zu erklären, dass sie jemanden ganz nett finden - aber eben nicht mehr. "Je l'aime" (wörtlich übersetzt: ich mag ihn/sie) wird mit "Ich liebe ihn/sie" übersetzt, während "Je l'aime bien" (ich mag ihn/sie gern) bedeutet, dass man jemanden ganz nett findet. Man kann's auch anders ausdrücken: "Je l'apprecie" - das klingt für mich als Anglophile sehr formell, denn da übersetzt man das Wort "appreciate" mit "jemanden/etwas schätzten".

Da ist es dann schon einfacher, die Sache beim Namen zu nennen, wenn man sich tatsächlich verliebt hat. Hier haben die Franzosen (und die Englischsprechenden auch) eine wunderschön bildliche Sprachschöpfung, wie ich finde: "tomber amoureux" - in die Liebe fallen. Wenn man's recht bedenkt, kommt das der Sache doch auch viel näher als das achsoaktive "sich verlieben". Habt Ihr Euch wirklich immer selbst aktiv zum Verliebtsein entschieden oder seid Ihr eher in die Sache reingestolpert, also quasi gefallen? Ich finde, man sollte "in die Liebe fallen" in den deutschen Sprachkatalog aufnehmen.

Hat man's dann geschafft und sich einen Partner geangelt, geht das Spiel wie im Deutschen los: ist es nun ein Kumpel ("un copain" ), ein Freund ("un ami" oder "l'ami") - oder ist es DER Freund ("LE copain")? Witzig, oder? Zuerst kommt EIN Kumpel, dann EIN/DER Freund, und dann erst DERJENIGE WELCHE, der aber nun wieder mit dem Kumpelfreundwort beichnet wird... komische Rangordnung, finde ich. Wer's einfacher haben will, benutzt wie im Englischen ein Präfix, allerdings nicht nach Geschlecht sortiert, sondern verniedlichend: man nennt den Partner dann "petit-copain" oder "petit-ami", was sich wortwörtlich mit "kleiner Freund" übersetzen lässt. Wie süüüüß!

Zuguterletzt sollte man in Frankreich auch nicht vergessen, dass Zuneigung nicht nur verbal, sondern auch in Taten ausgedrückt wird. Dabei gilt für Deutsche: sprachlich ist weniger mehr, aber bei der Begrüßung darf's auch ein bisschen mehr sein. Soll heißen: Hände in den Taschen behalten, nach vorn beugen und Küsschen verteilen bzw. abholen! Dabei aber bitte auf Geschlechtskonstellationen achten - die Jungs teilen wohl seltener untereinander Küsschen aus. Da ich aber kein Junge bin, hab ich schon so einige französische Dreitagebarte meine Wange entlangkratzen lassen.
Die Bezeichnung der Begrüßungs- und Kussarten bereitet mir immer noch Kopfschmerzen: die Begrüßungsküsschen nennt man Bises, einen "richtigen" Kuss Baiser (witzigerweise wird das Gebackene Baiser in der Oberlausitz mit "Schmätzel" bezeichnet) und will man mit jemanden so richtig zur Sache gehen, kann man das auch mit demselben Wort als Verb, also als "baiser qn." bezeichnet. Ähnlich verwirrend ist es, wenn man sagen will, das man jemanden umarmt hat - das Verb "embrasser" wird sowohl für die Umarmung als auch den mehr als freundschaftlichen Kuss verwendet. "Se donner les bras" - sich die Arme geben - ist dann wohl die unverfänglichere Umschreibung... am besten, man spielt als Deutscher immer noch ein bisschen Pantomime, dann klappt das schon mit dem Nachbarn der Verständigung :-)

Warum ich das alles weiß? Ich hab die letzte Nacht bei einer Englischlehrerin übernachtet und mit ihr das Thema Lie-Bäh angeschnitten...

J'adore le francais!
(wortwörtlich: Ich lieeeebe Französisch... oder "den Franzosen", wenn er großgeschrieben wäre ;-))

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