Donnerstag, 2. April 2015

Gott in Frankreich

Meine heutige Etappe bestand im wesentlichen aus einer kurzen Ab- und Auffahrt vom Wallfahrtsörtchen Vézelay nach Avallon, gefolgt 50 Kilometern im Regen auf einer laaaangen, geraden, einfach durch die Landschaft geschnittenen Departmentale bis nach Vitteaux. Das gab mir Zeit, mal die bisherigen Etappen und Sehenswürdigkeiten Revue passieren zu lassen. Wenn man von Schlössern und Großstädten absieht, hat sich da bisher vor allem eins manifestiert: der Jakobsweg.

Oder besser gesagt: die Jakobswege. In Frankreich gibt es vier "Zubringer" zur spanischen Pilgerstrecke nach Santiago de Compostella, sie starten jeweils in Paris, Vézelay, Le Puy und Arles. Im Startpunkt des zweiten Weges habe ich meine gestrige Etappe beendet und war ehrlich beeindruckt vom Anblick des malerischen Örtchens im Hügelland von Avallon, das mit seiner Kathedrale beeindruckend viele "große" und kleine Männer der Geschichte angelockt hat. Hier haben sich diverse englische und französische Könige die Klinke in die Hand gegeben, aber auch für Kunstliebhaber ist das Städtchen nicht uninteressant: im letzten Wohnhaus des Schriftstellers Romain Rolland befindet sich das Musée Zervos, eine Sammlung von Malereien aus den 20er bis 70er Jahren (Picasso, Kandinski,... es gab sogar ein Bild von Le Corbusier, der ja eigentlich eher als Architekt bekannt ist). Ich war begeistert! NIcht nur von der Kunst, sondern auch vom Fakt, dass ich für 16,30€ eine halbe Jugendherberge - Küche und Bad, zwei Schlafsääle - für mich hatte. Endlich mal eine "Massenunterkunft" ohne Schnarcher ;-)

Aber eigentlich wollte ich ja erzählen, wie es Gott in Frankreich so geht. Ich glaube ja, es geht ihm hier noch sehr gut - jedenfalls habe ich viele Orte besucht, an dem man ihm noch regelmäßig gedenkt und altes Gemäuer verstärkt, aufhellt, verputzt.. kurzum, wo Kirchen und Kathedralen heil(ig) gehalten werden. Dabei bin ich ziemlich fasziniert von den tollen gothischen Portalen, die sich über dem Eingang vieler Gotteshäuser befinden. Da möchte man manchmal drunter stehen bleiben und sich die zugehörige biblische Geschichte noch einmal anhören...

Meine "erste" Pilgerkirche war die Kathedrale in Moissac am Canal du Midi, wo ich auch auf dem Radweg eine Pilgerer zu Fuß gesehen habe. Damals noch nicht an schlechtes Wetter gewöhnt, ist mir die morgendliche Nebelstimmung in der Stadt besonders in Erinnerung geblieben - und die Ruhe, die der Innenraum der Kirche ausstrahlte. Vielleicht auch, weil noch kein anderer Mensch mittwochs um 10:00 Uhr hineingeschaut hatte ;-)

Mit den nächsten Kathedralen - Agen, Bordeaux, Saintes,... - folgte die Gewöhnung an die Schönheit der Gotteshäuser und ich muss zugeben, dass ich immer weniger Zeit für die Besichtigung eingeplant habe. Auch deswegen habe ich mich am letzten Sonntag besonders über die Messe in Orléans gefreut. Ein Gottesdienst ist eben doch etwas anderes als ein kurzer Kirchenbesuch, er gibt Zeit und Stoff zum Nachdenken. In diesem Fall - meiner ersten Palmsonntagsmesse - war es für mich doch etwas Besonderes, die Passion Christi noch einmal nachzuvollziehen. Auch wenn es eigenartig war, dass die Geschichte von Gemeindemitgliedern unterschiedlichen Alters gelesen wurde und ausgerechnet eine Kinderstimme den Part "Assassine-lui" - "Tötet ihn!" (bezogen auf Jesus) - übernahm.

Eins ist mir bei meinen Kirchbesuchen bereits aufgefallen: die Pilgersaison hat noch nicht begonnen. Bislang bin ich nur in Moissac rucksacktragenden Kathedralgängern begegnet, gepäckbeladene Fahrräder habe ich auch nicht gesichtet. Man kann es den Pilgerern aber auch nicht verübeln, wenn man sich die Wetterlage der letzten Wochen anschaut...

Noch bin ich mir nicht sicher, ob ich Gott statt in den Kirchen nicht auch anderswo suchen und finden könnte. Moscheen und Synagogen sind mir bisher noch keine aufgefallen - und ich bin auch nicht wirklich firm darin, ob und wie man diese besichtigen kann. Sollte sich mir aber auf den nächsten Stationen noch einmal eine Möglichkeit bieten, möchte ich diese nicht auslassen. Bis dahin radle ich weiter über Straßenkreuzungen vorbei an Kreuzen mit Jesusfiguren und anderen Wegesrandheiligen, die mich an Gott in Frankreich erinnern...

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Danke für den Artikel....
Danke für den Artikel. Er trifft m.E. so manchen Nagel...
Waldwuffel (Gast) - 4. Mär, 22:04

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