Dienstag, 28. April 2015

Radfahren in Stuttgart

Vorgestern bin ich noch mal ein paar Kilometerchen entgegen der Heimrichtung nach Südwesten geradelt - es galt, einen weiteren Freund in seiner neuen Heimat kurz vor Ende der S-Bahn-Linie 6 zu besuchen. Da der Freund inzwischen der Herr Regierungsbaumeister, zugleich Luigis Baumeister und damit fahrradaffin ist, holten wir ihn und sein Drahteselchen gleich von der Arbeit in Stuttgart-Vaihingen ab. Diese kleine Radtour und die Anreise von Tübingen aus haben mir einen neuen Blick auf Stuttgart verschafft, denn bislang bin ich dort vor allem S-, U- und Eisenbahn gefahren oder zu Fuß durchs Stadtzentrum bzw. Bad Cannstatt getrottet. Das bedeutete fast immer viel Alsphaltierung entlang hoher, nicht allzu hübscher Stahlbetongebäude, dazwischen touristische Highlights und ein durch die Tallage begrenztes Sichtfeld. Klar habe ich mich auch mal gefragt, wie die Stadt wohl von oben aussieht, aber mir leider nie die Zeit für einen Ausflug dahin genommen.

Insofern war meine samstagliche Einflugschneise über Stuttgart-Möhringen ein echtes Highlight: in (oder kurz hinter?) Degerloch erreichte ich einen steil abfallenden Waldpark, durch den eine Forststraße verlief, die für den nichtmotorisierten Verkehr freigegeben war. Luigi und ich rollten also langsam den Berg hinunter und erblickten dann rechterhand einen kleinen Pfad mit Radelspuren. Nichts wie rein ins Vergnügen, dachte ich mir, und fand mich wenig später stark holpernd auf einem Wellenparcours wieder, der Mountainbikern wohl eine echte Freude verschaffen würde. Luigi dagegen ächzte ein wenig und meinem und der Fahrradtaschen Gewicht... natürlich waren wir recht bald wieder auf dem Forstweg, wo wir einer kleinen Wandertruppe begegneten, die nicht übel über unser Gespann staunten.

Gleich danach ging es raus aus dem Wald, rein in die Weinhänge. Ein wunderbarer Anblick, der mich gleich wieder an die Umgebung Bordeaux erinnert hat - nur dass in Frankreich eben Wein auf flachem Land und nicht nur an steilen Stücken angebaut wird. Die Abfahrt durch das gutbürgerliche deutsche Wein- und Häuslebaugebiet war auf jeden Fall sehr schön und endete ziemlich genau am Marienplatz, den jeder Stuttgarter kennt. Danach ging's vorbei am Rathaus und dem Schlossplatz in den großen Park, der mich bis Bad Cannstatt führte. An keiner Stelle achtete ich auf Radfahrbeschilderung, da ich die Strecke ab Schlossplatz auch teilweise zu Fuß erkundet hatte.

Die vorgestrige Anfahrt nach Vaihingen jedoch war für mich Neuland und so schaute ich zunächst auf GoogleMaps nach einer geeigneten Route und stellte auf dem Weg recht schnell fest, dass es eine ausgewiesene Fahrradstrecke durch die Stadt gibt. Die Ausschilderung dieser beschränkte sich auf kleine weiße Schildchen mit gründer Beschriftung - leider ohne Nummerierung und damit nicht ganz so bequem wie in der Schweiz, aber doch ganz gut wiederzufinden. Die Wegführung selbst war allerdings... abwechslungsreich, um nicht zu sagen abenteuerlich. Bin ich aus Dresden rote Fahrradstreifen an Hauptverkehrsachsen gewohnt, führt man die Stuttgarter Radler gleich ganz von den Hauptstraßen weg. Sie werden im leichten Zickzack durch Parks, ruhigere Wege, teils auf eigenen kleinen Fahrradsträßchen am motorisierten Verkehr vorbeigeführt, wobei sie natürlich immer wieder mal die Wege der Autos kreuzen und dabei eigentlich immer das Nachsehen im Sinne der Vorfahrt haben. All dies gilt vor allem für die Stuttgarter Innenstadt - je weiter man aus dem Tal herausfährt, desto schöner und sicherer werden Wege und Aussicht. Und sogar die Mentalität der Radfahrer hinter Vaihingen (stadtauswärts) hat mich positiv überrascht: so folgten mir und meinem Radfahrgefährten mehrere PKWs auf einer kleinen Straße, ohne unser Nebeneinanderradeln anzuhupen.

Trotz dieser Rücksicht der Vorstadt-Stuttgarter bleibt ein mulmiges Gefühl, dass in diesem Ort der Fahrradverkehr als Transport- statt Sportmittel noch nicht richtig angekommen ist. Dazu begegneten mir eindeutig zu wenige Radfahrer, standen kaum geparkte Räder an den Straßenseiten und war die Radstreifenmarkierung quasi nicht existent. Schade eigentlich, denn Stuttgart bietet abwechslungsreiches Terrain - und die hiesige Industrie würde es auch ganz sicher schaffen, ihre Mitarbeiter für die Hangbewältigung mit E-Bikes auszustatten. Ich drück den Stuttgartern die Daumen, dass sich da noch was tut!

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Danke für den Artikel. Er trifft m.E. so manchen Nagel...
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