Sonntag, 15. März 2015

Bäckerei-Leckereien

Aus aktuellem Anlass berichte ich hier mal von der Vielfalt französischer Backkünste. Ebenso wie in Deutschland haben in Frankreich die kleinen Handwerksbetriebe mit Filialbäckereien und Supermarkt-Brotauslagen zu kämpfen. So bewirbt LIDL auch hier sehr aggressiv sein Angebot:

LIDL bäckt Brot-Märchen

Mir wurde allerdings in Frankreich bisher noch nie Discounter-Brot angeboten. Das "pain quotidien" - unser täglich Brot - kauft man hier traditionell beim Boulanger, dem Bäcker für Brot und Brötchen. So gibt es in fast jedem noch so kleinem Dorf eine Bäckerei, in der man auch Sonntag sein Baguette besorgen kann, Was auch dringend nötig ist, denn Brot wird hier zu jeder Tages- und Nachtzeit gegessen, als Beilage zum Hauptmahl und natürlich auch zum Käse (über den man übrigens auch mehr als einen Artikel schreiben könnte). Dazu gibt es in der Boulangerie auch immer verschiedene Landbrote, Croissants, Rosinenschnecken und mit Schokolade gefüllte Blätterteigteilchen, die je nach Region "Chocolatines" (Süden) oder "Pain au chocolat" (Norden) genannt werden.

Brotauswahl auf dem Wochenmarkt

Doch die französischen Backkünste sind mit Brot und Blätterteig lange noch nicht erschöpft! Dort, wo die Boulangerie aufhört, beginnt die französische Patisserie - gewissenmaßen die Konditorei, nur dass dazu auch schon "einfache" Kuchen gehören. Auch hier wird viel mit Blätterteig gearbeitet, aber ebenso mit Mürbe- (der heißt hier "Sablé" - "sandig") und anderen Teigen. Dazu kommen frische Früchte und tausend Verarbeitungsvariationen von Schokolade, ein Fest für die Sinne!

Patisserie-Werbung in Bordeaux

Eine Bordelaiser Spezialität sind die Canelés: kleine guglhupfförmige Küchlein aus Rührteig, die innen noch feucht und außen knusprig sind. Im Teig wird nur Eigelb verwendet und durch die Zugabe von etwas braunem Rum haben sie auch eine sehr feine alkoholische Note. Das wäre nix für meinen marokkanischen Gastgeber gewesen, der das sofort geschmeckt hätte ;-)

Lecker war's, mein Canelé

Die Canelés werden auch im Supermarkt angeboten - aber ehrlich, die können nicht schmecken! Die Außen-Knusprigkeit eines frischen Küchleins erhält sich nicht über Tage in einer Plastikhülle, ebensowenig wie der Geschmack gleich bleiben würde. Insofern bin ich sehr froh, dass ich gestern beim Durchqueren von Bordeaux noch mal einen Bäckerstand auf dem Sonntagsmarkt vor der Bordelaiser Kathedrale gefunden habe:

Canelés auf dem Markt

Bourgeous Bordeaux

Wenn Toulouse die Arbeiterklasse ist, dann ist Bordeaux das Bürgertum - oder um es sächsischer auszudrücken: Toulouse ist wie Leipzig, Bordeaux wie Dresden... Und nein, das mein ich nicht ernst!

Vorgestern abend bin ich in wechselhafter Wetterlage in die Stadt hineingeradelt, immer rechts entlang der Garonne und mal wieder durch der Stadt vorgelagerte Industriegebiete. Diesmal keine Autohäuser am Straßenrand, sondern kleine Fischerschuppen links, von denen man seine Angel direkt in die Garonne hängen kann. Der Fluss ist hier schon wirklich breit, und heißt nach der Stadt "Gironde". Hier spielen die Gezeiten bereits eine große Rolle und drücken Wasser in die Garonne, sodass es manchmal regelrecht zu Flutwellen kommen kann, auf die sich die Surfer freuen. Ich selbst habe sowas nicht gesehen.

Als ich die erste Brücke zur Flußüberquerung nahm, fuhr gerade ein Schiff aus Richtung Toulouse vorbei, dass normalerweise Teile von Airbus transportiert - die Flugzeugindustrie wirkt sich also durchaus bis hierhin aus, was in Kombination mit dem Wein eine lustige Mischung ergibt. Wobei ich gleich zugeben muss: ich habe bisher nur einmal Bordeaux-Wein probiert, und das war in Toulouse :-)

Nachdem ich mich meiner leuchtendgelben Fahrradbekleidung entledigt und mich stadtfein gemacht hatte (=Helm ab, Haare gerichtet, rote Jacke angezogen) gönnte ich mir erstmal frisches Gebäck in Form von ungarischen Baumstriezeln. Der Bäcker war tatsächlich aus Ungarn und probiert hier seit drei Monaten sein Glück. Bald muss er aus dem Laden wieder raus und ich habe ihm geraten, es auf dem Markt zu versuchen - in Dresden liefen die Dinger auf dem Weihnachtsmarkt jedenfalls super! Hoffentlich findet er einen weg, denn diese Leckereien sollte es häufiger auf der Welt geben!

Bevor ich zu meinem Gastgeber wieder aus der Stadt herausgefahren bin, schlenderte ich also noch ein bisschen durch die Straßen und habe mir Mühe gegeben, nicht zuviel Toulouse in den Straßen zu suchen. Backsteinbauten gibt es hier nämlich gar keine, dafür viele Klassizismus aus weißem Baumaterial, das mit der Zeit mit dunkler Patina überzogen ist. Diese schwarze Hülle ist aber im Gegensatz zum Sandstein-Schwarz keine Korrosion, sondern ein Pilz, der sich außen am Gebäude anlagert. Und da dies den Leuten nicht gefällt, wird seit ein paar Jahren fleißig wieder das Weiß herausgearbeitet. Das sieht man sehr gut an der Kathedrale, die halb-hell, halb-dunkel erscheint.

Da es kurz vor meiner Ankunft geregnet hatte, glänzten die Fußgängerzonen...

Später mehr, jetzt erstmal Frühstück mit dem Gastgeber ;-)
... und nach dem Frühstück bin ich losgefahren, habe uuuuunendlich viele Weinfelder und Chateaus gesehen, die Garonne/Gironde per Boot überquert und sitze jetzt im Pub von Blaye, wo ich auf die nächsten Couchsurfer warte.
Zurück zu Bordeaux:


Während meines ersten Stadtbummels hielt sich das Wetter noch zurück, aber kurz nachdem ich das Zentrum von Pessac - wo mein Gastgeber wohnte - erreicht hatte, fing es wieder richtig an zu regnen. Und so kam es, dass ich ein erstes Mal auf dieser Reise etwas nass geworden bin, denn ich hatte für den letzten Kilometer keine Lust zum Umziehen.

Was ich bei meiner Gastgeberauswahl nicht bedacht hatte: in Bordeaux gibt es ja angeblich ziemlich guten Wein - man sollte hier vielleicht bei jemanden nächtigen, der Alkohol trinkt. Mein marokkanischer Couchsurfer ist herkunfts- und gewissermaßen religionsbedingt Alkohol nämlich nicht gewohnt und hat von meinem mitgebrachten Weißwein nur ein Anstandsschlückchen mitgetrunken. Später hab ich ihm das Konzept "Schorle" nähergebracht, was er glaube ich ganz nett fand ;-) Das hat auch ganz gut zum Salat gepasst, den wir uns zusammengestellt haben.

Neben der freien Unterkunft bekam ich gleich ein paar Bücher über Bordeaux in die Hand gedrückt, mit schönen Bildern von der Stadt bei gutem Wetter. Am nächsten Tag war's immer noch etwas kühl, aber nicht mehr regnerisch und wir machten uns auf den Weg in den botanischen Garten, wo gerade ein Schokoladenfestival stattfand. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie viel Schokolade man für 2€ Eintritt verkosten kann... und was Chocolatiers so alles aus dem schwarzen Gold herstellen! Fakt ist, dass wir an diesem Tag kein Mittagessen brauchten :-)

Nach dem Schoko-Botanik-Ausflug sind wir noch ins "Haus der Ökologie" gegangen und haben uns ein pädagogisches Theaterstück über die Funktionsweise des Ohrs angesehen (und natürlich auch angehört) - so kenne ich jetzt ein paar französische Fachbegriffe mehr und besitze zudem ein weiteres Paar Ohropax. Nach dem Spektakel sind wir zunächst zu zweit, und später ich allein weitergeschlendert...

Auch heute habe ich noch einmal neue Seiten von Bordeaux entdeckt, als ich die Stadt radelnd in Richtung Norden durchstreifte. Dabei kam ich zunächst durch gutbürgerliche Viertel, dann an einem Rummel vorbei, sah am Kai viele Ausflugsboote und einen laaaangen Wochenmarkt, hab meinen kaputten Getränkehalter in einem Fahrradladen auswechseln lassen (Klassiker: "Vous êtes toute seule?") und dann, ganz plötzlich, war ich zurück in Deutschland: in BRANDENBURG! Das liegt übrigens direkt hinter NEW YORK, zumindest auf der Tramway-Strecke B. Die Gegend war sowas von Reinald Grebe, das kann man sich gar nicht vorstellen!

Kurz hinter Brandenburg kommt noch ein Industriegebiet und dann, dann hört Bordeaux einfach auf. Tschüssikowski, nix mehr mit Bürgerlichkeit! Da kommt noch ein wenig Nichts und ein, zwei Kreisverkehre - und voilà, plötzlich ist man im Wein-und-Chateau-Land. Aber dazu später mehr...

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Danke für den Artikel....
Danke für den Artikel. Er trifft m.E. so manchen Nagel...
Waldwuffel (Gast) - 4. Mär, 22:04

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