Autostadt hat Fahrrad satt

Zwar sitze ich nun schon in einem wunderschönen alten Bauernhaus in Murles und bekomme tolle Radfahrtipps von meinen hiesigen Gastgebern (10.000 km von Ostasien bis Frankreich), aber die gestrige Episode kann ich Euch nicht vorenthalten:

Stuttgart Hauptbahnhof, gestern um ca. 9:30 Uhr. Begeistert, dass der SVV meinen Begleiter Luigi kostenlos mitnimmt, steige ich aus der S-Bahn und schiebe den vollbepackten Luigi in Richtung Fahrstuhl. Wir sind die ersten dort und es finden sich auch nur zwei, drei Personen hinter mir ein, sodass sich mein schlechtes Gewissen wegen möglichen Platzmangels im Rahmen hält.

Der Fahrstuhl stoppt, spuckt ein paar Pendler aus und macht Platz für uns Nach-oben-Strebenden. Ich rolle zuerst hinein, versuche Luigi so platzsparend wie möglich zu platzieren und biete den anderen Fahrstuhlgästen an, an den Packtaschen vorbeizugehen und den Freiraum dahinter zu nutzen. Der erste Mann macht davon freudig Gebrauch, der zweite jedoch schiebt sein Köfferchen ziemlich breit zwischen die Wand und mein Fahrrad, sodass dort kein Vorbeikommen mehr ist. Ich weise ihn darauf hin, dass mit einer 90°-Drehung vielleicht noch ein paar Personen mehr in den Fahrstuhl reinpassen könnten. Offensichtlich habe ich damit einen Nerv getroffen...

"Ich liebe ja Fahrradfahrer", sagt der Mann, und ich freue mich erstmal, weil ich die Ironie im Unterton leider nicht verstanden habe. Gleich ging es weiter: er bezahle für unsere Fahrradwege - woraufhin ich entgegnete, dass ich die mit meinen Steuern ebenso zahlen würde. Das hätte ich nicht tun sollen, denn dann drehte er wirklich auf und es sprudelten Vorurteile über Fahrradfahrern aus ihm heraus, die mit dem Öffnen des Fahrstuhls und dem folgenden Satz endeten: "Ohne Auto wären wir heute alle tot."

Leider hab ich bisher noch nicht gelernt, mich bei solchen Dingen zurückzuhalten und habe eben doch noch etwas gesagt: "Ohne Rad gäbe es wohl heute kein Auto". Ach, ich...

Nachdem ich mir noch einen Kaffee und eine ZEIT besorgt hatte, lief ich also mit Luigi durch den Hauptbahnhof, trug ihn und meine Taschen die Treppen hinunter in Richtung U-Bahn und dachte noch ein Weilchen über diesen Autoliebhaber (der ja aber offensichtlich Bahn fuhr!) nach. Wieviele "Kampfradler" haben ihn wohl in den letzten Monaten sein Leben schwer gemacht? Gefällt ihm die grüne Regierung Baden-Württembergs? Und überhaupt, was hat wohl seine Frau im Fahrstuhl und danach gedacht?

Auf meinem Weg zur U-Bahn habe ich noch möglichst vielen Stuttgartern in die Augen geschaut und mich gefragt, was sie wohl just in diesem Moment über mich und mein bepacktes Fahrrad denken würden. Ich sah nicht nur neugierige Blicke, sondern vor allem indifferente... so hat mir auch keine Hilfe beim Tragen angeboten - aber es hat sich mir auch keiner in den Weg gestellt ;-)
Waldwuffel (Gast) - 28. Feb, 18:49

Ach diese Armen ...

...Autofahrer, wie schnell Mensch doch vergisst, dass all die Radfahrer und Fußgänger auch die Straßen mit bezahlen...
Dass ohne Auto alle tot währen ... lässt nur meine Brauen verdutzt nach oben schnellen (häh ?) und dann meine Grübelfalte auf der Stirn kurz sehr tief werden bevor sie einem lachenden Kopfschütteln weicht.

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Danke für den Artikel....
Danke für den Artikel. Er trifft m.E. so manchen Nagel...
Waldwuffel (Gast) - 4. Mär, 22:04

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Zuletzt aktualisiert: 29. Mär, 15:03

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